Lieber Freund, mein Käpt’n,

ich stelle mir vor, dass du die Segel gesetzt hast und übers große Meer zu deiner Heidi gesegelt bist. Du hast mir noch einen Abschiedskuss zugeworfen am Dienstag. Samstag früh hat mir deine Tochter Dagmar geschrieben. Ich war am Abend zuvor bei meinen Freunden, den DJs. Es hätte dir gefallen, Schallplatten und Tonbandmaschinen. Auch so eine Volkshochschule.

Und gut, dass ich sie schon besuchte, als wir damals gemeinsam unser Online-Beisl gestartet haben, die Liebe zu den Schallplatten und zur Musik verband uns gleich. Und daraus ist ja schließlich und endlich ja auch 2021 der 5-Uhr-Tee entstanden. Kennen gelernt habe ich dich, lieber Helmut, 2018 bei einer PROMENZ-Vorstandssitzung. Ich war begeistert von dem Herren mit Hosenträgern, bunten Socken, schönen Schuhen, Kapitänsmütze, kritischen Fragen und trockenen Schmäh.

Mit großer Freude durfte ich dich immer als Mittler, Vernetzer, Unterstützer und Gentleman erleben. Als Vor-Reiter – wie dich Raphael so treffend genannt hat – hast du Ausflüge organisiert, dich stets wohlüberlegt eingebracht und als Diplomat zwischen den verschiedenen Demenz-Organisationen vermittelt. Nach und nach erzählten mir die Menschen, wie rührend und respektvoll du dich um deine Frau Heidi gekümmert hast. Du hast vermittelt zwischen Betroffenen, Angehörigen, Expert:innen. Und irgendwie hast du alle gleich wertig behandelt. Und freundlich. Das hat mir von Anfang an gefallen. Ich habe es gerne beobachtet und du warst eine große Unterstützung bei den Gruppentreffen.

All das und dein Anfängergeist waren so hilfreich, als wir im März 2020 unser „Café PROMENZ – Online mit Anfängergeist“ ins Leben gerufen haben. Schnell trafen wir uns regelmäßig und waren so auch virtuell in unseren Wohnzimmern zu Gast. Mit deinen Hüten, Hawaii-Hemden und T-Shirts hast du von deiner Kommandobrücke aus geblödelt, gegrantelt und uns Wissen vermittelt. Ob die Geschichte der Schallplatte – mit einem echten Koffer-Plattenspieler auf deinem Schreibtisch vor dem Apple-Computer – die des Kinos oder die der Öffis in Wien – in deiner „Volkshochschule“ war für alle was dabei. Bald auch über die Landesgrenzen hinaus. Von Jugend an warst du offenbar am technischen Puls der Zeit, beobachtend und lernend. „Ich bin ja Autodidakt“ hast du gerne betont. Und hast nie aufgehört zu lernen. Ich habe, wir haben so viel von dir gelernt – auch die Freude und Lust am Lernen an und für sich.

„Mein ältester Freund“ habe ich dich genannt, wenn ich Leuten von dir erzählt habe. Und das habe ich gerne und voller Stolz formuliert. Ältester nicht in Hinblick auf die Dauer unserer Freundschaft sondern in Bezug auf dein Lebensalter, habe ich erklärend hinzugefügt. Und nein, er ist keine Vaterfigur, obwohl er aus der Generation meiner Eltern stammt, er ist ein Freund; ein Freund auch aus ihrer Welt, bei dem ich vieles verstand und verstehen lernte.

So nach und nach, wie es halt vorkommt in einem Stammlokal, tauschten wir Lebensgeschichten aus, Erfahrungen. Da lernte ich dann den begeisterten Radfahrer kennen, den Sportfan, den Minigolfer, das Fotomodel, den ARBÖ-Mann, den Stadthallenmanager, den Lyrik-Freund und den Musikkenner, den Standard-Leser, den Leihopa für die kleine Letizia, den Gentleman, den Grumpy-Grantler, den Sammler und Jäger, den wortgewandten Wiener, den begeisterten Autofahrer, den Hausboot- und Segelkapitän, das Beispiel eines großen Liebenden – Heidi, seine Frau, die ich nicht mehr erlebt habe – und den Vater zweier großartiger Töchter.

Du warst für uns „Der schönste Mann von Wien“ wie von der „Worried Man Skiffle Group“ besungen und hast uns in den Monaten der Pandemie und nachher, online und im wirklichen Leben mit deinen bunten Hawaii Hemden, deinen frechen T-Shirts, deinen und den Hüten deiner Frau, dem kecken Schopf, dem klugen Kopf und deinem Charme stets aufs neue begeistert. Unvergesslich – du warst schon auch ein Show-Man, mein Freund.

Jetzt hat dein Schiff also abgelegt. Du segelst mit und zu deiner Heidi. Zurück bleiben Erinnerungen an viele gemeinsame Stunden, ein paar Melodien, ein paar Fotos, viel Wissen und noch mehr Dankbarkeit. Nie werde ich vergessen, wie unser „kleines Beisl“ von Ö1 ausgezeichnet wurde und wir gemeinsam auf einer Bühne standen.

Die 5-Uhr-Tees im Volkskundemuseum, meine Freunde haben unter deinem fachkundigen Blick aufgelegt und deine Tochter Dagi hat mit uns das Tanzbein geschwungen. Wir haben Reindling gebacken, du hast mir Schabzigerklee für Vintschgerln geschenkt. Du hast mich bei meiner Masterarbeit angefeuert und dich dann mit mir gefreut; du hast mich, uns getröstet und mir, uns Mut gemacht. Wir haben viel erlebt, mein Käptn.

Du bleibst bei uns im „Café Dementi – Online mit Anfängergeist“; Anfängergeist wie du ihn dein ganzes Leben mit ganzer Leidenschaft immer wieder bewiesen hast, werden wir auch brauchen, um anzunehmen, dass ich dich nicht mehr anrufen kann, dass wir nie mehr miteinander tanzen werden und das du nicht online bist mit deiner Sonnenblume und deiner Lebenserfahrung. Aber in der Hymne und in unseren Herzen wirst du uns weiter begleiten. Ahoi, mein Freund, mein Käptn, we’ll meet again. Bis dahin wissen wir dich an unserer Seite, in unserer Mitte.

Danke.

Deine Nini

Virtin Katharina und die Gäste des „Café Dementi – Online mit Anfängergeist“