5 Jahre Café Dementi

Kaum zu glauben, aber nicht nur Corona feiert seinen fünften Geburtstag, sondern auch eine seiner wenigen positiven Nebenwirkungen: Unser kleines Beisl. Im März 2020, während des ersten Lockdowns in Wien, begann alles. Um die Nutzer:innen der Selbsthilfegruppe PROMENZ und ihre Angehörigen in der schwierigen Zeit nicht allein zu lassen, suchten wir nach sicheren Möglichkeiten für Gruppentreffen. Telefonrunden waren schwierig, also versuchten wir uns an Zoom und erfanden eine Art virtuelles Kaffeehaus.
Fünf Jahre und etwa 560 Treffen später hat sich das „kleine Beisl“ weiterentwickelt und einige Grenzen überschritten, aber den Anfängergeist dieser Tage beibehalten.
Für alle, die es eilig haben Zahlen, Daten, Höhepunkte kurz zusammengefasst:
• Über 1000 zufriedene Gäste pro Jahr, im Schnitt 8 pro Treffen
• Mediale Aufmerksamkeit und Auszeichnung im Jahr 2021
• Aufnahme in den „Katalog der Chancen“ des Radiosenders Ö1
• Regelmäßige Expert:innen-Besuche aus Pflegewesen und Wissenschaft
• Neue Freundschaften und Allianzen entstanden, eine „Caring Community“
• Café Auszeit für Pflegende seit September 2020
• 5-Uhr-Tanztee mit Volkskundemuseum am Tag der ACHTsamkeit, organisiert vom Achtsamen 8.
• Finanzierung durch Spenden und Freiwilligenarbeit seit 2023
• 52 Stunden Daumen-Yoga und andere Entspannungsübungen pro Jahr
• Vier gemeinsame Kochsessions pro Jahr.
• Newsletter mit 71 Abonnent:innen.
Für alle die Zeit für und Lust auf die längere Version haben, beginne ich im März 2020, mitten im Lockdown. Damals schrieb ich in mein „Corona Tagebuch“:
„Dieses Online-Café bereichert mein Leben sehr. Unser Freund, der “Kapitän“ ist Mitte 80 und trägt täglich einen anderen Hut, ein anderes T-Shirt, stets verknüpft mit einer Anekdote. „Mac Gyver“ vermisst das Klettern, probiert aber gerne stetig neue Perspektiven und Funktionen per Zoom aus. Manchmal nimmt er uns mit ins Schlafzimmer. Die „Elfe“ fühlt sich wohl daheim und doch bei uns, das sieht man ihrem Lächeln an, das merkt man an ihren Scherzen. Sie wird öfter gehört, wenn ein Rahmen aufleuchtet. „Wie praktisch, da stehe ja die Namen drunter, die vergisst man ja so gerne“, meint der Eine. Auch ein anderer Stiller meldet sich öfter als sonst zu Wort.
Zwischen 16 und 17 Uhr basteln wir Masken aus handrollierten Taschentüchern, hören Vorträge über die Geschichte der Schallplatte und der Wiener Linien, spielen Stadt Land, machen Daumen Yoga und einander Mut. Heute war die deutsche Demenz-Aktivistin Helga Rohra bei uns und Betroffene aus Deutschland. Ich bin stolz auf unser Motto, das ich vom Zen-Meister Shunryu Suzuki übernommen habe: „Der Anfängergeist hat viele Möglichkeiten, der des Experten nur wenige.” Menschen mit Vergesslichkeit haben und brauchen jede Menge Anfängergeist und wir können ihn in Situationen wie diesen brauchen.“
Manche Gäste von damals sind ihren Weg weitergegangen, manche auch zu Ende: Wilhelm, der Stille, Helmut, mein Käptn, beide Naturbegeisterten Andrease, meine liebe Ellen. Aber auf die eine oder andere Art durften wir ein Stück des Weges mit ihnen gehen und in unserer Hymne leben sie weiter. Sie haben mich, ihre Virtin, auch bei meiner Masterthesis unterstützt. Unter dem Titel „Da fragt dich keine, was du hast oder bist“ habe ich anhand von Tom Kitwood‘s Bedürfnisblume untersucht, wie weit dieses Format Menschen mit neurokognitiven Beeinträchtigungen und ihr Umfeld in Alltag und Wohlbefinden unterstützen kann.
Dass das funktioniert, beweisen die vielen zufriedenen Gäste, mehr als 1.000 pro Jahr, im Schnitt 8 pro Treffen. Schnell hat sich das Café über die Wohnungsgrenzen hinaus verbreitet. Online warteten wir gemeinsam in Impfstraßen und Gäste nahmen uns via Laptop und Handy mit in den Urlaub. Bald hatten wir Gäste in Deutschland und Kroatien und auch andere Grenzen haben sich verschoben: Da das Café keine Selbsthilfegruppe ist, haben sich auch die Grenzen zwischen „Betreuten“ und „Betreuenden“ verschoben. Expert:innen kamen regelmäßig, ob aus Pflegewesen oder Wissenschaft. Nicht (nur) um zu forschen, sondern auch um eine gute Zeit miteinander zu verbringen. Neue Freundschaften und Allianzen entstanden, eine „Caring Community“. Für die Interessensgemeinschaft Pflege darf die Virtin seit September 2020 das „Café Auszeit – das gepflegte Beisl für Pflegende“ betreiben.
Das Jahr 2021 brachte uns mediale Aufmerksamkeit und das „Café PROMENZ –Online mit Anfängergeist“ wurde ausgezeichnet und in den „Katalog der Chancen“ des Radiosenders Ö1 aufgenommen. Die Journalistinnen Margarethe Engelhardt-Krajanek und Monika Felder-Zimmermann waren Gästinnen und gestalteten Radio-Beiträge.
Seit 2021 sind wir auch gemeinsam mit dem Volkskundemuseum Gastgeber eines „5-Uhr-Tanztees“ am Tag der ACHTsamkeit, organisiert vom Achtsamen 8.
2023 trennten sich die Wege von PROMENZ und dem „Café Dementi – Online mit Anfängergeist“. Das „Café Dementi – Online mit Anfängergeist“ wurde ins Sorgenetz aufgenommen und finanziert sich seither ausschließlich aus Spenden und der Freiwilligenarbeit der Virtin. Etwa die Hälfte der Gäste kommt nicht aus Österreich und dementielle Erkrankungen sind nur selten Thema.
„Hirntumor-Überlebende“ wie Frank fühlen sich bei uns genauso wohl wie die Grande Dame der Validation in Österreich, verwitwete Angehörige, Karins 20 Katzen in Güllük oder Yasemin mit und ohne ihre Freundin Demenz. Gemeinsam haben wir im Jahr 2024 mindestens 52 Stunden mit Daumen-Yoga verbracht – hochgerechnet auf fünf Jahre sind das 300 Stunden leichte Bewegung und Achtsamkeitstraining fürs Gehirn.
Mittlerweile veranstalten wir auch vier Mal im Jahr gemeinsame virtuelle Kochsessions, die gerne und gut angenommen werden. Den begleitenden Newsletter haben 71 Personen abonniert, 31 davon öffnen ihn im Schnitt.
Vielleicht konnte ich Ihnen, Dir Lust machen unser kleines virtuelles Stammlokal im „Stadtteil Dementia“ zur besuchen – alles, was es dich kostet, ist ein wenig Anfängergeist und 60 Minuten Zeit. Was es bringt, ist eine gute Zeit mit netten interessanten Menschen.
Bis bald im kleinen Beisl.
Servus aus Wien
Virtin Katharina
Café Dementi – Online mit Anfängergeist
Montag, Mittwoch und Donnerstag 16 bis 17 Uhr
Am 27. März 2025 feiern wir Geburtstag, feier mit
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us02web.zoom.us/j/87621091794